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Karte

Stromboli: Stromboli
06.05.2002

Die Batterie

Nach dem Aufwachen packe ich meinen Rucksack für die grosse Tour um. Badezeug und Sonnencreme raus, Faserpelz und Warmzeug rein. Und natürlich die Stirnlampe nicht vergessen. Probehalber schalte ich sie noch mal ein, obwohl wir zu Hause die Batterien gewechselt hatten. Oha!

Das Birnle ist OK. Angeschaltet war sie auch nicht. Bleibt nur die Batterie. Ralle schaut zu, als ich den Batteriepack öffnen will. 'Da ist eine nagelneue Batterie drin.', meint er. 'Die geht aber nicht.', sage ich.

'Schmarrn! Die hab ich daheim ausgewechselt und so fest zugedreht, dass sie unmöglich im Rucksack angehen konnte. Gib mal her!' und er entreisst mir meine Stirnlampe. Als er den Batteriepack vollends öffnet, bekommt er grosse Augen. 'Das gibt's doch nicht! Das ist die alte Batterie!' Sieht so aus, als wäre die Batterie in seiner Stirnlampe glatt 2 Mal gewechselt worden.

Alles kein Problem, auch in Lipari gibt's Läden und so tauchen wir mit vollständiger Ausrüstung und gestiefelt und gespornt eine halbe Stunde vor Abfahrt des Bootes am Hafen auf. Wir setzen uns auf die Hafenmauer und versuchen rauszufinden, wer von den vielen Leuten wohl mit uns kommen wird.

Als die Münchner auftauchen, gehen wir mit ihnen zum Boot. Es ist die Regina dei Mare, ein ziemlich grosses Boot. Wir staunen gehörig, als wir feststellen, wer sich da alles auf das Schiff begibt. Nein, die können unmöglich alle auf den Stromboli wollen. Mit Halbschühchen, Sandalen und Slippern und auch sonst teilweise katastrophal ausgerüstet. Wir hoffen jedenfalls, dass die nicht alle mitwollen.

Schiffle fahren

Wir sausen gleich hoch auf das Aussichtsdeck und sichern uns einen Platz da oben. Wenn wir schon Schiffle fahren, dann wollen wir auch was sehen. Allerdings ist das mit der Sicht inzwischen schon eher problematisch. Es ist so diesig geworden, dass wir grad mal Panarea erkennen können. Stromboli hüllt sich in Dunst. Zudem ist ein kühler Wind aufgekommen, der die Münchner ziemlich schnell wieder unter Deck treibt.

Wir bleiben oben. Spätestens bei Panarea wird uns klar, warum es da so viele scheinbar unpassende Leute hat. Die Regina wird auch als Ausflugsboot nach Stromboli genutzt. Bei Panarea machen wir einen kleinen Abstecher zur Punta del Junta(?) wo sich eine bronzezeitliche Siedlung und eine wunderschöne Felsbucht befindet. Die Erklärung über Lautsprecher dazu ist natürlich italienisch und wir bekommen nichts mit.

Stromboli kommt in Sicht

Als wir uns Stromboli nähern, können wir schon mal steile schwarze Geröllhänge bewundern. Inzwischen ist das Wetter nahezu umgeschlagen und alle bis auf den Ralle frieren in der steifen Brise. Ich hab Faserpelz und Jacke an und die Hände zwischen die Beine geklemmt und finde es ziemlich kühl und er sitzt mit seiner Weste und einem kurzen Hemd da und behauptet, es immer noch OK zu finden. Harte Männer halt ...

Als wir uns dem Hafen von Stromboli nähern, sehe ich besorgt, dass ein riesiger Haufen Menschen, alle mit Rucksäcken und festen Schuhen, von der Intrepido, einem noch grösseren Ausflugsschiff als die Regina, strömen. Die wollen doch hoffentlich nicht alle ... ???

Gruppenbildung

Marsch durchs Dorf Doch wollen sie. Von unserem Boot kristallisiert sich ein Häuflein von etwa 20 Stromboli-Aspiranten heraus und wir sind erst mal vorsichtig erleichtert. Doch als wir dem Führer durchs Dorf folgen, ist sofort klar, dass das mit der geführten Tour doch ein bisserl anders ist, als wir uns (eh schon pessimistisch) vorgestellt haben. Etwa 200 Leute drängen sich in der engen Gasse bis zum Kirchplatz.

Dort werden Gruppen gebildet und Helme verteilt. Wir sind am Ende so um die 30 Leute in unserer Gruppe und kriegen gelbe Helme verpasst. Wir haben so langsam den initialen Schock überwunden und ich fange an, mich zu amüsieren. Es ist aber auch wirklich schwer, angesichts diverser lautstark grosse Reden schwingender Bauchträger die Fassung zu wahren. Herrje, was muss toller Hengst sein schwer sein.

Aufstieg zum Stromboli Es sieht so aus, als wäre 'unser' Führer der Hauptbergführer. Das hat den Nachteil, dass wir die letzte Gruppe sind, die den Platz vor der Kirche verlässt. Wir fragen uns besorgt, ob wir bei der Menge Menschen, die da schon vor uns den Berg hinauf laufen, überhaupt noch einen Platz da oben finden werden. Der Ralle sieht seine Chancen ein Stativ auszustellen ins Nirvana verschwinden.

Zunächst marschieren wir jedoch erst mal los. Es geht in leichtem bergauf-bergab an der Küste entlang. Wir passieren auch das berühmte Ingrid-Bergmann-Haus, in dem die Schauspielerin während der Filmarbeiten zu irgendeinem Film gewohnt haben soll. Es ist gelb-rot und ich hoffe sehr für die Dame, dass es zu ihrer Zeit in einem besseren Zustand war. Wir hängen uns ans Ende der Gruppe. Da kann man ein bisserl tun wie man will (fotografieren zum Beispiel) und ist zudem ein wenig von den Ausdünstungen der Mitwanderer (vor allem eines Franzosen) geschützt.

Es geht hinauf

Inzwischen können wir auch den untersten der Krater sehen und immer wieder mal eine Explosion hören. Der Ralle misst die Zeitabstände zwischen den Explosionen und versucht, eine Regel zu finden. Vergebens, zwischen 8 und 25 Minuten ist alles möglich.

Sicht auf den untersten Krater

Nach einem guten Drittel des Aufstieges fallen die ersten Leute zurück. Vor allem zwei fränkische Damen (*räusper* also eigentlich etwa so alt wie ich) schwächeln sehr. Das dünne 10-jährige Mädchen, bei dem ich die meisten Sorgen hatte, stapft noch tapfer vorne mit. Ralle hat so sehr Sorgen, dass eine aufgeben könnte und uns damit die Tour vermasseln könnte, dass er der einen Frau anbietet (die andere hat eh keines), ihr Gepäck zu nehmen. Sie lehnt ab und scheint sich bei der nächsten kleinen Pause ein wenig zu erholen.

Das Wetter wird immer schlechter. Die letzten Reste blauen Himmels sind inzwischen hinter Wolken verschwunden und der Wind hat deutlich aufgefrischt. Vor dem letzten Sattel fängt es dann auch noch zu regnen an. Widerwillig legen wir Regenkleidung an. Ralles Poncho flattert im Wind wie wild und ist wegen des unhandlichen Stativs an seinem Rucksack schwer zu bändigen.

Am Gipfelgrat

Als wir über die letzte Kuppe kommen, bekommen wir den ersten richtigen Blick auf den untersten Krater. Von hier kann man den ganzen Grat überblicken, der in einem weiten Bogen nach rechts bis zum Pizzo ansteigt. Der Pizzo selber ist nicht zu sehen. Nebel oder Rauch zieht auf. Auf dem flachen Stück vor uns sind viele halbhohe Mauern aus Lavasteinen aufgeschichtet, hinter denen sich unzählige Leute vergebens vor dem Regen und dem kalten Wind zu verstecken versuchen.

Manche sitzen im Schlafsack und Biwaksack auf Matten und haben es relativ gemütlich, aber die meisten schauen miserabel und kalt und nicht wirklich glücklich aus. An dem Versuch sich in die dünne metallbeschichtete Rettungsfolie einzuwickeln müssen wir ein wenig lachen. Verzweifelte Situation scheinen verzweifelte Massnahmen zu erfordern. Angesichts des Wetters beneiden wir diejenigen, die ganz offensichtlich hier oben übernachten wollen, kein bisschen.

Wir gehen den Grat ein Stück weiter hoch und plötzlich macht der Führer unerwartet Pause. Wir bleiben hier, weil es ein wenig windgeschützt ist und weil der Pizzo im Nebel liegt, so dass wir am ehesten von hier aus etwas sehen, erklärt er. Und da hat er erst mal recht, wir sehen eine kleine Eruption. Dann wird der Nebel dichter und der Krater verschwindet. Zudem wird es so langsam dunkel.

Pause am Grat

Fotoversuche

Ralle baut sich aus einer Plastiktüte einen Fotoschutz und stellt sich schussbereit mit der Kamera auf dem Stativ an den Rand des Weges. Ich stelle mich mit gezücktem DigiDings daneben. Der Krater ist die meiste Zeit von Nebel verhüllt. Als der Berg dumpf grollt, drücken wir sofort auf den Auslöser, aber es ist kein Ausbruch zu sehen. Ich diagnostiziere Verdauungsbeschwerden.

Wir erleben 2 Ausbrüche, während um uns herum die Leute unruhig werden, weil sie frieren. So richtig sehen können wir die Ausbrüche aber nicht. Immer wenn sich der Berg bequemt, glühende Felsbrocken auszuspucken, ist der Nebel gerade besonders dicht und wenn der Krater mal sichtbar ist, ist bestenfalls dieses tiefe dumpfe Grollen zu hören. Um uns herum peitscht der Wind den Regen durch die Luft und es ist ziemlich ungemütlich.

Postkarte: Ausbruch
Postkartenbild

Trotzdem sind wir erstaunt und verärgert, als der Führer zum Aufbruch mahnt. Die Stunde, die wir am Gipfel haben sollten ist doch noch lange nicht vorbei! Widerwillig räumen wir die grosse Kamera weg - eine Aktion, die der Berg prompt mit einem gut sichtbaren Bilderbuch-Ausbruch belohnt. Ich habe mein DigiDings eigentlich noch schussbereit, bin aber so fasziniert, dass ich vergesse auf den Auslöser zu drücken.

Nach einem anfänglichen dumpfen Schlag schiesst glühende Lava weit in den dunklen Nachthimmel empor und fällt in einem weiten Bogen über den Rand des Kraters hinaus. Wir können sehen wie einzelne glühende Lavabrocken den Kraterrand hinabrollen und dabei funkensprühend zerbersten. Der Anblick ist fantastisch.

Nach diesem Spektakel drängt der Führer umso eindringlicher zum Aufbruch. Wir kramen die Stirnlampen raus und stapfen in der Schlange den Grat entlang zu Pizzo. Der Abstieg soll über ein langes Aschefeld an der Ostseite des Berges führen. Offensichtlich ist dem Führer klar, dass noch nicht alle zufrieden sind und wir machen doch noch einen Abstecher auf den Pizzo. Und plötzlich stellt sich heraus, dass das was ich für 'Verdauuungsbeschwerden' der Stromboli hielt, Ausbrüche aus den beiden anderen Kratern war, die man von hier oben Klasse einsehen kann. Oder könnte - wenn da nicht dieser zähe Nebel wäre.

Am Pizzo

Von unserem Standpunkt aus kann man von oben in alle 3 Krater hineinschauen. Dunkelrote bis hellorangene verschwommene Flecken im Nebel kennzeichnen die drei Krater. Man kann sehen, dass ich da unten etwas tut. Die Flecken werden unregelmässig heller und dunkler. Ein kleiner Ausbruch des linken Kraters offenbart ein ganz neues Schauspiel: die glühende Lava beleuchtet für kürze Zeit das gesamte Rund des Kraters mit dem Loch in der Mitte.

Der Führer drängt schon wieder zum Weitergehen, gibt uns dann aber, weil keiner so recht weg will, noch mal 10 Minuten. Und diese 10 Minuten nützt der Stromboli zu einer fantastischen Bilderbuch-Eruption, die uns für die ganze Misere des schlechten Wetters und der miserablen Führungstour entschädigt. Auch der Nebel hat ein Einsehen und so haben wir fast freien Blick auf das Spektakel.

Wie ein sorgfältig choreographiertes Feuerwerk schiesst der linke Krater eine hohe Lavasäule, begleitet von dunklem Grollen und leichtem Beben, in den Nachthimmel. Fast eine Minute lang, scheint es, fliegt glühendes Gestein durch die Luft und landet wieder im und auch ausserhalb des Kraters. Aussen rollen die rot-schwarz glühenden Brocken dann schnell in die Dunkelheit davon und innen beleuchten sie den Krater mit einem gespenstischen roten Licht. Es ist ein grossartiges Schauspiel, dem wir staunend ohne jeden Gedanken an ein Foto zusehen.

Postkarte: Noch ein Ausbruch
Postkartenbild

'Grazie, Stromboli! Grazie, Stromboli!' ruft der Führer und drängt mit Nachdruck zum Aufbruch. Als wir uns abwenden, grollt der Berg erneut und wir können gerade noch einen Blick auf den Ausbruch des mittleren Kraters erhaschen. Dann folgen wir dem ungeduldigen Führer in der Dunkelheit den Berg hinab.

Runter und heim

Der Abstieg im Schein der Stirnlampen erst über ein langes steiles Lavageröllfeld und dann durch fast mannstiefe Gräben und Bambushaine und Macchia-Gestrüpp geht schnell und ist schön zu gehen. Wir stehen nach knapp 1 1/2 Stunden wieder auf dem Kirchplatz und geben unsere Helme ab. Jetzt heisst es nur noch auf die Regina zu warten, die laut Auskunft der Führers in etwa einer halben Stunde anlegen soll. Wir verkürzen uns die Wartezeit mit dem Gipfelwein, den wir oben am Stromboli wegen der widrigen Umstände nicht geöffnet hatten. Hier schmeckt er sehr gut, was uns auch die Münchner, die mit uns warten, bestätigen.

Auf der Rückfahrt zeigt sich dann, dass wir wahrscheinlich trotzdem die richtige Entscheidung mit der geführten Tour getroffen haben. Die Regina kann wegen des Wellengangs kaum an der Mole von Stromboli anlegen, die Rückfahrt ist ziemlich unruhig und als wir in Lipari-Stadt vom Hafen zum Zimmer laufen, erwischt uns ein fürchterlicher Regenguss. Besser so gesehen als gar nicht, denken wir uns.

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