'Schatz, ich hätte da eine Idee ...'
Kein Wunder, dass mich dieser Satz immer aufhorchen lässt. Diesmal
war es keine neue Idee, sondern eine, die er schon ein paar mal vorgebracht
hatte und zu der ich mich immer sehr zurückhaltend geäussert hatte.
Zum Giebelhaus wollte er radeln und den Hochvogel besteigen wollte
er. Das ist nichts Ungewöhnliches, das machen viele Leute. Die fahren
mit dem Auto nach Hinterstein im Ostrachtal, radeln rund 15 Kilometer
das für Autos gesperrte Tal hinter, steigen auf einen unserer höchsten
Berge (der Hochvogel hat 2592m) und gehen denselben Weg wieder zurück.
Über den Daumen gepeilt sind das um die 2000 Höhenmeter. Soweit so
gut also.
Mein liebster Freund aber stellte sich vor, von daheim aus los zu
radeln, den Berg zu besteigen und danach wieder zurück zu radeln.
Das sind rund 90 Kilometer Radeln und etwa 500 Höhenmeter mehr. Das
ist eines von vielen Projekten ähnlicher Art, die in seinem Kopf
herum schwirren. Das Wetter war akzeptabel angekündigt und das sei
jetzt die Gelegenheit. Schliesslich wären wir grade im Training.
Diesen Argumenten konnte ich mich schlecht entziehen und wenn ich
nicht mitmachte, würde er das früher oder später ohne mich machen
(was ich absolut nicht wollte), also stimmte
ich schweren Herzens zu. Ich war sicher, ich würde irgendwo auf dem
Rückweg vom Rad kippen und wir müssten dann meine Mom anrufen und
gestehen: 'Mama, wir haben da was ganz Dummes
gemacht ... Kannst Du uns abholen?' Hui, wäre das peinlich!
Um 3.00h klingelte der Wecker. Um 4.00h hatten wir vor der Garage
die Lichter an die Bikes montiert und es ging los. Nein, es regnete
nicht mehr, aber es war bewölkt und kuahranzanacht. Als wir durch
die Stadt und die letzten Ausläufer von St. Mang und Sulzberg durch
waren, wurde es erst mal recht dunkel, doch so gegen 5.00h kam die
erste Helligkeit der Morgendämmerung durch. Es wurde hell (so richtig
allerdings erst gegen 6.00h).
Um 7.00h machten wir Pause in Hindelang, am Anfang des Ostrachtals.
Ab hier wurde das Radeln erst so richtig beschwerlich. Noch ging's uns
gut, doch spätestens am Giebelhaus waren meine Radelmuskeln am Ende.
Die letzten 300 Höhenmeter von dort bis zur Abzweigung zur Prinz
Luitpold Hütte schafften mich total und ich sah mich schon wieder
umdrehen.
Offensichtlich braucht man aber zum Laufen völlig andere Muskeln,
denn nachdem wir die Radelkleidung gegen die Bergkleidung getauscht
hatten, konnte ich fast wie frisch durchstarten.
Der Wetterbericht hatte von Wolkenlücken und Sonne gesprochen, doch
die Lücken wurden immer weniger und bald liefen wir mitten im Nebel
den Berg hoch. Schade eigentlich, denn hier waren wir noch nie und
ich hätte gerne die Landschaft gesehen. An der Prinz Luitpold Hütte
gab's die erste Brotzeit. Wir blieben nur kurz sitzen, denn die 13
Grad bei dem Nebel waren unangenehm frisch.
Lustig war der Anblick der munteren Bergdohlen. Die schwarzen Vögel
waren vom Nebel nass und plusterten sich dick auf. Sie sahen aus,
als kämen sie alle grade von einem Punk-Friseur ;-)))
Zunächst war es auf dem Weg zur Kreuzspitze angenehm zu laufen, doch
als wir ein Schneefeld queren mussten, in dem die Schritte riesengross
waren, merkte ich die ersten Anzeichen von Erschöpfung. Der steile
Anstieg durch das Geröll danach fiel mir auch nicht grade leicht.
Als wir dann aber auf eine Art Klettersteig auf die Kreuzspitze trafen,
war alle Müdigkeit wieder wie weggeblasen. Klettereien (so bis 4+
oder 5- etwa) sind wie für mich gemacht :-)
Hier kamen wir auch endlich aus dem Nebel raus. Wie nur die Spitzen
der höchsten Allgäuer Berge aus der Wolkendecke guckten, sah grandios
aus und es gab mir nach der Scharte zwischen Kreuzspitze und Hochvogel
Auftrieb bis etwa zur Hälfte des letzten Anstiegs. Dann verliessen
mich plötzlich alle Kräfte und ich schleppte mich Schrittchen für
Schrittchen nach oben. Puh, was war ich froh, oben zu sein. Aber
wir hatten es geschafft, wir waren oben! Es dauert eine Weile, bis
das in meinem erschöpften Hirn ankam, aber dann war ich nahezu euphorisch
:-)
Ich hatte nicht mal allzu grosse Probleme mit dem Abstieg vom Hochvogel
in die Scharte, obwohl der Weg dort ziemlich blockig ist und die
Knie stresst. Auch der Gegenanstieg auf die Kreuzspitze und der Abstieg
zur Hütte waren recht problemlos, obwohl es anfing zu regnen. In
der Hütte gönnten wir uns etwas zum Trinken und danach fiel mir der
Abstieg sehr schwer. Irgendwie war ich einfach müde.
Als wir im Regen bei den Fahrrädern ankamen, war ich froh, nicht
mehr laufen zu müssen. Immerhin kam jetzt erst mal eine ewig lange
Abfahrt. Wir hofften, dass der Regen aufhören würde, wenn wir aus
dem Ostrachtal raus wären, deswegen zogen wir uns erst mal gar nicht
um, sondern sausten mit den kurzen Hosen das ganze lange Tal runter.
Erst als uns eiskalt wurde (und klar, dass der Regen nicht aufhören
würde), hielten wir an und zogen uns warme lange Radelkleidung an.
Bis Sonthofen gings's mehr oder weniger bergab und wir machten unheimlich
Kilometer. Danach kam das sanfte Auf und Ab der Allgäuer Voralpen.
Bergab fühlte ich mich Klasse, bergauf fiel mir das Radeln recht
schwer, aber alles in allem war ich fast wieder fit. Nur die letzten
Kilometer durch Kempten durch bis nach Hause, da war ich wirklich
kaputt.
Aber hey! Ich hab's geschafft!!
116 km und 2490 Höhenmeter in 17 1/2 Stunden.
Und ich habe sogar ein Denkmal bekommen :-)) Irgendwo auf dem Hochvogel
las der Ralle einen besonders schönen 'hochvogeligen' Stein auf und
bastelte daraus dieses Kunstwerk :-) Als Ersatz für die 'Goldene
Wandernadel' sozusagen ;-))
(Das versteht jetzt nur, wer den Film Die Piefke-Saga
kennt ;-))
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